Trauer beim Derby im Wellblechpalast

Fans trauern gemeinsam - Foto: CityPressEishockey ist unser Lieblingssport. Ganz klar, denn ansonsten würden wir dieses Projekt hier auf www.welli-berlin.de nicht durchführen. Beim Fan kommen während einer Partie viele Emotionen auf. Überschwängliche Freude bei Triumphen, Ärger oder Trauer nach verlorenen Spielen oder gar Meisterschaften. Meist ist es aber so, dass nach den Momenten der Enttäuschungen sich wieder Optimismus einstellt, es doch wieder zu versuchen. Das Spiel, über welches ich heute schreiben will, zieht sich beim Rückblick noch heute eine Gänsehaut über den ganzen Körper.

Der Ursprung dieses Ereignisses fand am 6.Oktober 1998 in Oberhausen statt. Die Berlin Capitals waren damals zu Gast bei den Revier Löwen in Oberhausen, als der Berliner Stürmer Stephané Morin während des Spiels hinter der Bank zusammenbrach und sich nicht mehr rührte. Entsetzen machte sich breit, Wiederbelebungsmaßnahmen wurden eingeleitet, aber es war alles zu spät. Stephané Morin starb auf der Spielerbank beim Eishockeyspiel mit 29 Jahren an einem plötzlichen Herztod. Ein Freund und Kollege war damals Pressesprecher der Revier Löwen, und noch heute fällt es ihm schwer, darüber zu reden.

Ich erfuhr von diesem tragischen Unglück am nächsten Tag aus der Zeitung. Ein Kollege kam zu mir und zeigte mir die Schlagzeile auf der Titelseite einer großen Berliner Boulevardzeitung. Es war für mich in diesem Moment ein Stich mitten ins Herz. Mit Sicherheit ging es aber allen Eishockeyfans so.

Morin - Foto: CityPressNur vier Tage später fand das Stadtderby im Wellblechpalast statt. Ein Spiel, welches für mich noch nie einen so geringen sportlichen Stellenwert hatte, wie an jenem Samstagnachmittag. Vor dem Spiel traf ich einige bekannte Gesichter, die alles andere als in Derby-Stimmung waren. Schon am Vorabend dieses Spiels traf ich einige meiner Freunde und wir stellten fest, dass wir doch irgendwie Angst vor diesem Spiel hatten.

Nein, es war kein Spiel wie jedes andere. „Sicher wünschte man damals seinem Stadtrivalen alles mögliche an den Hals, aber bitte nicht so was.“, hörte man von vielen Eisbären-Fans. Das Schlimme daran war eigentlich der Gedanke der Endlichkeit und das fühlen der endlosen Trauer. Emotionen, vor die sich jeder Mensch gerne schützen oder verschließen will, die aber gnadenlos in jeder Situation oder Phase eines Lebens zuschlagen können. Auch in der Sportart, die wir lieben.

So vollzog sich das Warm-up vor dem Spiel gespenstig, genauso wie die Stimmung vor, beim und nach dem Spiel. Gestandene Spieler standen vor dem ersten Bully mit versteinerten Gesichtsausdrücken an der blauen Linie. Auch wollte kein Torjubel aufkommen.

Zwar fanden, dem Vergleich nach, recht viele Preussen-Fans den Weg in den Wellblechpalast, aber auch ihnen ging das Spiel irgendwie vorbei. Die Trauer um Stephané war allgegenwärtig – und das war auch gut so. Zusammen mit Eisbärenfans hielten sie auch eine Mahnwache, mit Kerzen, Bildern, Schals usw. im Wellblechpalast.

Gedenkminute - Foto: CityPressWie genau das Spiel ausging, weiß ich gar nicht mehr. Einzig, dass die Eisbären nach Shoot-out gewonnen hatten, in dem Morins bester Freund, Eisbären-Kapitän Marc Fortier mit Tränen in den Augen den entscheidenden Penalty verwandelte.

Für mich hat dieses Spiel einige nachhaltige Erinnerungen. So gibt es für mich nach einem Tor in der Overtime keinen „sudden-death“ mehr, sondern einen „sudden victory“. Auch Niederlagen nehme ich leichter. Denn, es ist nur ein Spiel, es ist nur Eishockey. Etwas, was wiederbringlich ist.

Ganz anders als der Tod von Stephané Morin, dem wohl schwärzesten Kapitel der jüngeren Berliner Eishockeygeschichte.

ovk

Fotos: CityPress

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