Viele werden jetzt angesichts des Titels glauben, dass ich von den Finals 1998 oder 2004 berichten möchte. Weit gefehlt, für mich fanden die verpassten Meisterschaften 2006 und 2008 statt.
In beiden Fällen hatte ich keine Möglichkeit, in Deutschland zu sein, weil ich seit 2005 in China lebe und arbeite. Bei der ersten Meisterschaft 2005 hatte das gerade noch hingehauen, da ich wegen der asiatischen Ruhe, mit der die chinesiche Botschaft in Berlin meinen Visaantrag bearbeitete, erst am 2. Mai ausreisen konnte. Das gab mir die Gelegenheit die Tage nach dem 19. April mit einem Dauergrinsen im Gesicht zu verleben und die Feierlichkeiten nach dem glücklichsten aller Dienstage ausgiebig mitzumachen.
Ein Jahr später überkam mich dann etwas, was ich inzwischen als „Play-Off-Heimweh“ in die ärztlichen Nachschlagewerke habe aufnehmen lassen. Gereiztheit, Übermüdung – auch in Folge von nächtlichen Tickersitzungen (wir haben eine Zeitschriebung von 6 bzw. 7 Stunden zur Winterzeit) – und die ständige Frage an einen selbst: „Was mache ich hier eigentlich in diesem Teil der Welt, wenn die Eisbären in den Play-Offs sind. 2006 kam dann noch ein weiteres Dilemma hinzu: Für den Zeitpunkt ab dem zweiten Finalspiel waren wir in Thailand im Urlaub. Schönes Land, warm war es auch und die Strände waren toll. Aber Internet gab es nur ein paar Kilometer weiter und ein Laptop hatte ich auch nicht mit.
Die Nachricht von der Titelverteidigung kam dann per Handy von Robert ins Telefon gebrüllt, als es in Thailand schon Zeit zum Schlafengehen war. Meister werden geht irgendwie anders…
Durch einen wirklich denkwürdigen Auftritt in den Pre-Play Offs ersparten mir die Eisbären ein ähnliches Krankeitsbild im vergangenen Jahr und die Play-Offs gingen für mich ohne große Emotionen oder sonstige Krankheitserscheinungen in die Geschichte ein. Außer an die langweilige und einseitige Finalpaarung kann ich mich an nichts erinnern und ich gratulierte meinem aus Mannheim stammenden Kollegen in Berlin per E-Mai mit den Worten: „Und passt ja auf, dass Ihr keine Beulen in Pokal macht. Der ist nur für ein Jahr ausgeliehen!“ Er lachte mich beim nächsten Telefonat für diesen gelungenen Witz herzlich aus.
Mit dem gleichen Kollegen saß ich in Hong Kong am Früstückstisch, als die Eisbären gerade drei Stunden vorher den Pokal gewonnen hatten. „Den ersten Pokal von Euch haben wir schon mal,“ fand er dann schon nicht mehr ganz so lustig, aber er war per Mail am 20. April fast schneller mit den Glückwünschen als der Liveticker mit Vermeleden von Buschis Tor.
Ja und auch meine zweite verpasste Meisterschaft war wieder etwas besonderes. Play-Off Heimweh ab dem Viertelfinale, eine eigentlich für den Fall des Finaleinzuges geplante Reise nach Deustchland zerschlug sich auf Grund privater Umstände und dienstlicher Ereignisse. Und dann verschwanden zum entscheidenen Spiel auch noch Premiere Live-Stream und Radiostream der Eisbären hinter der Great Chinese Firewall.
Es blieb der Sportal Ticker, der allerdings für jede Aktualisierung knapp 30 Sekunden brauchte, in der er ein leeres Fenster anzeigte. Nachdem ich eigentlich zwei Minuten vor Schluß mit dem Thema langsam durch war und schon Überleungen anstellte, wie ich denn den Mittmochmorgen im Dienst völlig übermüdet überstehen sollte, vermeldete der Ticker statt des Spielendes den Ausgleich. In der Verlängerung waren dann sämtliche Aktualisierungen eine reine Qual mit ständigem Gemurmel „Los, zeig 1:2 an, los…“ Als es dann soweit war feierte ich fröhlich und vergnügt noch ein gutes Stündchen ganz allein in meinem Arbeitszimmer. Sonntags sind eben nach 23:00 nicht mehr so viele Familienmitglieder wach.
Und kurz vor dem Schlafengehen schoß es mir auf einmal durch den Kopf: „Siehste, jetzt hat Du schon wieder ne Meisterschaft verpasst…“
wei-de
Fotos: wei-de
Tags: China, verpasste Meisterschaft
Toddy, für den Fall, dass du dein Play-off-Heimweh verbergen wolltest: Die Nummer ist übrigens voll in die Hose gegangen! 😉
Freu mich schon auf das Wiedersehen noch in diesem Jahr!
„Und dann verschwanden zum entscheidenen Spiel auch noch Premiere Live-Stream und Radiostream der Eisbären hinter der Great Chinese Firewall.“
eine weitere völlig unmenschliche seite…